Hauptsache, gesund?

„Hauptsache, gesund!“ Seit ich selbst mit Diabetes lebe, regen sich bei diesen Worten innere Widerstände. Was ist mit Menschen, die an einer chronischen Erkrankung, an einer unheilbaren Krankheit leiden? Gehen wir an der Hauptsache des Lebens vorbei? So wie der Frosch, der so gar nicht zur goldenen Kugel passt?

Am Anfang war es besonders schwer, mit der Diagnose Diabetes zu leben. Es waren die Grenzen, das Kalkulieren, das auf einmal anders Sein, das mir als Studentin so gar nicht hineinpasste. Lebenslänglich mit dieser chronischen Erkrankung leben zu müssen, war mir unerträglich. Es waren die Probleme, die so groß im Raum standen und auch die Angst davor, wie es um meine Gesundheit in 30 Jahren bestellt sein könnte.  Ich kann mich erinnern, dass ein Arbeitskollege nach der Hochzeit zu meinem Mann sagte: „Na, wenn Ihre Frau Diabetikerin ist, dann wird es wahrscheinlich nichts werden mit Kindern.“

Für die Abschlußarbeit zur Diplom. Lebensberaterin habe ich das Thema „Wie gesund sind chronisch kranke Menschen?“ gewählt. Es entstand aus der Erfahrung heraus, dass Gesundheit weit über die körperliche Unversehrtheit hinausgeht. Es war die Perspektive, die sich im Laufe der Zeit verändert hat. Ich habe erlebt, dass der Prozess, sich selbst so anzunehmen, wie man ist, jeden Menschen betrifft und sicher nicht nur mich als Diabetikerin. Vielleicht hat mir der Diabetes sogar geholfen, diese Barmherzigkeit mit mir und meinen Macken etwas früher zu lernen! Gesundheit ist für mich heute sehr viel mehr. Wie schaut es z.B. aus mit gesunden Beziehungen? Wie wichtig ist es uns, Menschen mit denen wir leben, achtsam und wertschätzend zu begegnen?

Meine persönliche Lebenssitution, verbunden mit der Neugier für die Menschen und das Leben, haben mich dazu bewogen als Lebensberaterin zu arbeiten und einen Schwerpunkt auf Diabetes-Coaching zu legen. Ich berate Menschen weder in medizinischer noch in diätologischer Hinsicht. Im Diabetes-Coaching geht es um Ermutigung: Der Diabetes ist ein sensibler Geselle. Blutzuckerwerte schwanken, wenn psychischer Stress belastet. Wer entschleunigt,  sich den Themen des Lebens zuwendet, unterstützt den Zuckerspiegel. Wer seinen Blick weitet, der ändert Dinge, die er wirklich ändern will. Auch das ist gesund!

Übrigens: Ich habe zwei Mädels. Ich versuche ihnen den weiten Blick für Gesundheit schmackhaft zu machen. Das ist doch die Hauptsache!